Pauli – das Lehrbuch der Küche

Dieses Buch verfolgt mich seit 1976. Damals im Frühling begann meine Kochlehre im Hotel Bahnhof in Schaffhausen. Wir hatten einen sogenannten Einführungskurs – wohlverstanden als erste Lernende in der Schweiz. Freudestrahlend überreichte uns Walter Schudel, unser Kochfachlehrer und damaliger Paulirezeptschreiber, die Kochbibel Pauli. Das sei fortan unser ein und alles. „Was da drin steht, ist sakrosankt“, sagte Walter Schudel. Der Pauli war und ist es auch heute noch, unfehlbar. Auch die Lehrbetriebe müssen ihre Lernenden nach den Grundsätzen des Paulis lehren.

Ehrlich gesagt, fand ich den Pauli schon damals verstaubt und rückwärtsgerichtet. Ich meine, in den sechziger Jahren revolutionierten Bocuse und Konsorten die Küche mit der  „nouvelle cuisine„. Aber Pauli rezeptierte frischfröhlich und gutschweizerisch mit vor fett triefenden, traditionellen Rezepten vor sich hin.

Was Walter Schudel in den siebziger Jahren mit seinen Schulfilmen machte, war für die damalige Zeit perfekt. Darum war ich auf die iPhone App gespannt wie ein Schwingbesen. Phua, dachte ich mir, der Pauli ist in der Zukunft angekommen. Coole Sache. Ein paar Klicks weiter – und ich bin wieder in der Vergangenheit. Wer ist eigentlich die Zielgruppe? Lernende? Könnte sein. Aber ein iPhone kostet für einen Stift viel. Also scheiden die aus. Berufsköche? Ganz klar nein. Hausfrauen?  Hobbyköche? Die könnten stimmen. Aber die Hobbyköchinnen und -köche müssen ambitioniert sein,  um das Gesuchte finden.

Mein Fazit zur Pauli Applikation: (aus der Sicht eines Hoteliers, welcher Kochlehrlinge durch seinen Küchenchef ausbilden lässt.)
PAULI

Altgebackene Rezepte und Fotos, werden auch auf einer App nicht modern. Die Küche hat sich weiterentwickelt. Sei dies aufgrund  neuer Technologien oder neuer Produkte. Auch hat sich die Sinneswahrnehmung der Menschen verändert. Ich habe auf der Applikation nichts, über Fusionsküche, über Molekularküche oder über neue Produkte gefunden. Der Aufbau ist gleich, wie er schon vor 40 Jahren war.

Mein Gott Pauli Leute, bringt endlich frischen Wind in den Pauli. Mit diesem Rezeptbuch holt Ihr keine jungen Wilden an den Herd. Man schaue nur die Ranglisten der Kochwettbewerbe wie Bocuse d’Or oder die Rangliste der World’s 50 Best Restaurants. Wo sind die Schweizer zu finden? Haben Sie endlich Mut, die Schweizer Küche weiter zu entwickeln und die Lernenden nach neuzeitlichen Kochtechnicken zu unterrichten. Mir ist auch klar, dass es zuerst eine Grundlage braucht. Dennoch muss die avangardistische  Küche mitberücksichtigt werden.

Mein Fazit als Pauli-App-User und Hobbykoch
Wenn ich nicht Koch wäre und nur hie und da jemanden mit etwas selber gekochtem überraschen möchte, ist es schwer, sich im vorgegebenen Schema zurecht zu finden. Es braucht eine Grundlage, bis man oder Frau nur schon weiss, wie man sich an das Zielort klickt. Als Hobbykoch würde ich mir Jamie Oliver’s App laden. Dort wird einem kurz und schmerzlos mitgeteilt, wie ich was zu kochen habe. Und ich fühle mich dabei erst noch cool.

Hier noch ein Video, in welchem Walter Schudel mit Réne Schudel im Funky Kitchen Club zusammen kocht.

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2 Antworten zu “Pauli – das Lehrbuch der Küche”

  1. Vieles, das Du mit Deinem Kommentar ansprichst, trifft direkt ins Zentrum des Problemes. Man genügt sich leider mit Mittelmass. Es fehlt Emotion und Motivation und es fehlt auch Zeitgeist.
    Wenn man betrachtet, was für enorme Summen für Bildung und Ausbildung zu Verfügung stehen und auch aufgebraucht werden, ist es wirklich schade, dass nicht auch in unserem Beruf ein gesunder Wettbewerb stattfindet und dabei auch der aktuelle Ausbildungsstoff unter die Lupe genommen wird. Die ganze Innovation, welche in den letzten Jahren leider stattgefunden hat, ist doch, dass vieles wegegelassen wurde. Keine ganzen Stücke mehr, keine ganzen Fische mehr, keine Grundsaucen und Fonds mehr, wenn es jemand machen möchte kann er das tun, er muss aber nicht, nichteinmal an der LAP. Confienience ist ja so convienient und Fischfilets sind ja so praktisch, kalkulierbar und geben zudem weder Abfall noch Arbeit. So ist das leider. Schade auch, dass man sich so schnell an Mittelmass gewöhnt und schon Hurrah schreit wenn dann jemand zufällig mal den Ruccola fritiert und ein Schäumchen dazu gibt. Echt innovativ und steht zudem nicht im Pauli!!!!
    Doch für die jungen möchte ich eine Lanze brechen: sie sind wesentlich besser als man sie macht. Viele von ihnen sind hoch motiviert und geben von sich aus alles um weiter zu kommen. Sie wissen viel mahr als der Pauli und wissen auch wo sie Neues suchen müssen und finden. Wenn wir mit den Jungen gehen, kommen wir weiter, es macht Freude und…….es schmeckt so viel besser.
    Danke Thomas für Deinen Mut auch ein heisses Thema anzufassen, ab und zu tut es gut auch über zu bequeme Dinge nach zu denken und diese in Frage zu stellen.

  2. Thomas Frei sagt:

    Lieber André, herzlichen Dank für Deinen Kommentar zu meinem Blogbeitrag; Lehrbuch der Küche, geruft Pauli. Ich war in einer Kommission, in welcher über die neue Lehre des Koch Berufes diskutiert wurde. Ich wollte die Gelegenheit benutzen, dass neue Elemente in den Prüfungsstoff eingeschlossen werden. Leider wurde über die unwesentlichsten Dinge am längsten gesprochen. Naja. Wichtig ist vor allem, dass es immer noch Köche wie André Jaeger von der Fischerzunft zu Schaffhausen gibt, welche Ihren Beruf lieben und diese Liebe den jungen Köchinnen und Köchen weitergeben können. Somit fängt die Lehre eigentlich nach der Lehre so richtig an. Pauli hin oder her.

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