Die Zusammenfassung des 3. Bernerhof Gesprächs vom 23. März. Schlussfolgerungen zum Gespräch folgen in den nächsten Tagen.
Ausgangslage
In Europa leben 500 Millionen Menschen, die weder Ski fahren noch Snowboarden. Das dritte Bernerhof Gespräch warf zwei Fragen auf: „Gibt es Wege, diese 500 Millionen für Ferien in den Bergen zu begeistern? Oder ist Schnee ganz einfach von gestern?“
08/09 war eine Rekordsaison. Leider war es die einzige; In allen andern Saisons seit 04/05 war die Frequentierung im Wintersport rückläufig. Und dies trotz den Anstrengungen, gute Schneeverhältnisse auf den Pisten zu garantieren und die Seilbahnen zu modernisieren. Was ist für eine Destination wichtig, die den Rückgang aufhalten oder eine Trendwende anstreben will?
Fazit für Schnellleser:
- Wichtig ist die Erkennbarkeit und die Positionierung einer Destination.
Für Allesleser:
Wir hörten spannende Referate von Martin Bachofner, Tourismus Direktor; Otto Steiner, sympathischer Querdenker und Konzepter sowie Klaus J. Stöhlker, Doyen der PR Branche.
Martin Bachofner stellte drei Szenario für das fiktive Dorf „Hindere Chrache“ vor.
Facts:
Das Dorf liegt auf 1000 Meter über Meer mit einem erschlossenen Gebiet bis auf 3000 Metern über Meer. Es liegt in einer lieblichen Gegend mit saftigen Weiden, bietet aber kein Alleinstellungsmerkmal à la Matterhorn. Der Anteil an Zweitwohnungen ist hoch, die Auslastung im Sommer gut. Zudem trägt der Tourismus 50% des BIP der Region „Hindere Chrache“ bei.
Global nimmt der Tourismus zu. Reisen ans Meer verzeichnen Zuwachs, Gewinner in der Schweiz sind die Städte sowie der Bereich Touring (Auto, Velo —> Grand Tour von Schweiz Tourismus), der ländliche, alpine Tourismus aber scheint den Zenit überschritten zu haben.
Szenario 1: Gated Community
Das Dorf „Hindere Chrache“ wird bewacht von einer privaten Armee. Es ist ein Zufluchtsort für Privilegierte, für die Elite. Bergbahnen, Gesundheitswesen, die ganze Infrastruktur wird von Investoren finanziert.
Szenario 2 für „Hindere Chrache“: Produkt-Initiative
Eine Produkt-Initiative für Familien, Sport, Genuss etc. Die Produkte der Destination werden in Szene gesetzt: Kühe, Alpen, Handwerk etc.. Ein Produkt für alle.
Szenario 3: Leuchtturm setzen
Es wird ein klares Angebot gestaltet. Ein „Leuchtturm“ der unabhängig von Wetter und Saison während zehn, elf Monaten über allem strahlt. Eine Erlebnisbahn auf einen Berg, ein Kongresszentrum.
Otto Steiner eröffnete sein Referat mit einem Bild der eingeschneiten Büste von Hotelpionier und Visionär Caspar Badrutt und mit dem Ausruf: „Frauen und Männer seines Schlages braucht das Land. Visionäre, die andere begeistern, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.“ Kernaussagen seines Referates:
- Klare Positionierung am Beispiel St. Moritz: Der Ort der zweimal olympische Winterspiele durchführte, muss den olympischen Geist erlebbar machen. Auf einem Berg, damit auch die Bahnen Frequenzenhaben und im Tal.
- Charismatische Alphatiere braucht das Land. Leute, die begeistern und überzeugen. In der Schweiz ist es leicht ein Visionär zu sein, da alle so langweilig sind.
Klaus J. Stöhlker fragte die Zuhörer, was die Steigerung von Vision sei. Seine Antwort: Halluzination. Gstaad sei ein Wundername, der gut verkauft werden könne. Die schönste, sicherste Gated City der Welt. Wunderbar. Gottes Hand hat die fünf Täler des Saanenlandes als Reduit erschaffen, damit die Einwohner und Gäste geschützt, ruhig und sicher leben können.
Die Region rund um Gstaad zeichnet eine stete Investition in der ganzen Region aus. In neue Hotels, in die Infrastruktur und in die verkehrsfreien Dörfer. Ganz wichtig für die Region sei die Privatschule „Le Rosey“. Das „Come up“ im Slogan von Gstaad sagt auch etwas über den sozialen Aufstieg aus.
Gstaad braucht ein Symbol: „Das goldene Kalb“: Jede und jeder der in Gstaad war muss am Revers ein goldenes Kalb tragen.
Ein Slogan für Gstaad, wie es sich für Gstaad gehört in drei Sprachen:
- Gstaad ist die Schönste und sicherste Gated City der Welt
- Sport – culture – and good life for high performance
- La vie en rose – sans regrette
Wichtig : Positionierung, Spezialisierung.
Arena mit Sonja Hasler
In der anschliessenden Diskussion meinte Martin Bachofner, dass das Gemischtwarenlager aufgeräumt werden müsse. Alles hat Gstaad in den letzten 100 Jahren nicht falsch gemacht. Es muss nebst der gehobenen Klientel auch die Mittelschicht angesprochen werden. Zudem übernachten auch Reiche nicht nur in 5* Hotels. Durchlässigkeit der Positionierung ist wichtig.
Otto Steiner widersprach Klaus Stöhlker. Das „Goldene Kalb“ ist unrealistisch, zwar lustig aber nichts Spezielles. Die Bergbahnen brauchen Menge nicht nur Reiche. Es muss eine Ferienstimmung entstehen mit belebten Bahnen und Dörfern. Mit dem schönen Anfahrtsweg sei Gstaad gemacht für runterfahren, Langsamkeit und Gemütlichkeit, worauf Stöhlker erwiderte, dass niemand Langsamkeit wolle, da im Leben alle vorwärts kommen wollen.
Die Frage von Sonja Hasler an Otto Steiner, ob er eine Idee für Gstaad habe.
Steiners Antwort: Eine scharfe Positionierung die spaltet und es in die Medien bringt. Er hätte noch nie so viel Presse gehabt wie mit der Ankündigung des Heidi Dorfes in Flums. Verhindern sei simpel. Das Produkt müsse so profiliert sein, dass es einen Ganzjahres-Tourismus erlaubt. Ein „Les Arts“ allein genüge nicht. Es brauche fünf „Les Arts“, und wenn zwei von den fünf einschlagen, gehöre man zu den Gewinnern.
Zur gleichen Frage meinte Stöhlker: Gstaad habe gute Ansätze. Mutiger müsse man sein und sich dazu bekennen was man ist. Als Beispiel nannte er das neue Mode Heft „Splendid“ von Tommy Hilfiger oder die Beilage im Economist, 1843 culture and lifestyle, in welchen Wohlhabende gefeiert werden. Stöhlker: „Zeige was du Wert bist, dann kannst du es verkaufen.“
Für Höhrer: Das Tondokument des ganzen Gespräches:
Fotos von Marco Mostosi @mamo photography ©
Tags: 3. Bernerhof Gespräch, Alpen, Bernerhof Gespräch, Klaus J. Stöhlker, Martin Bachofner, Otto Steiner, Sonja Hasler, Tourismus
Spannend das ganze hier im Blog mit zu verfolgen. Dankeschön für die Zusammenfassung. Eine klare Definition mit einer guten Prise an Flexibilität ist sicherlich das wichtigste. Ich bin gespannt wohin ihr euch weiter entwickeln möchtet.
Danke Martin für Deinen Kommentar. Ja, der Preis gehört heute sicher dazu, wobei ich denke, dass der Preis bei den meisten Hotels und Restaurants bereits ausgereizt wurde. Ziel sollte sein, sei dies für ein Hotel oder eine Destination, dass der Preis zur Nebensache verkommt, wenn die Einzigartigkeit des Produktes so gut ist, dass es nichts vergleichbares gibt.