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4. Bernerhof Gespräch. Resümee

Unser Champagner ist die Milch und der Kaviar unser Fleisch

Kurz Resümee: Wir müssen andere Wertschöpfungslinien finden als den Tourismus. Schnee ist von gestern. Authentizität bleibt und wird mit jedem Jahr stärker. Die Herausforderungen Destinationen St. Moritz und Gstaad sind die selben, wie uns Sigi Asprion, Gemeindepräsident von St. Moritz bestätigte. St. Moritz /Engadin habe die Ski-WM unter anderem organisiert, um vom Luxusimage wegzurücken. «Wir wollten zeigen, dass wir viel mehr sind als eine Luxusdestination», sagte Asprion. Durch die fünf 5-Sterne-Hotels hafte der Destination an, dass sie teuer, exklusiv und abgehoben sei.

Resümee ausführlich

Neue Wertschöpfungslinie für das Saanenland:

Unsere Bauern im Saanenland erzeugen viel Milch. Die Molkereien verarbeiten sie zu pasteurisierter Milch, Joghurt, Käse, Butter u.s.w – bei uns entsteht eine eindrückliche weisse Produktelinie. Aber der Grossteil dieser Produkte wird in Tankwagen ins Mittelland gefahren. Macht das Sinn?

Es könnte auch so gehen: Wir produzieren nur noch soviel Milch, wie wir selber verarbeiten können, hier bei uns, im Tal. Und die daraus entstandenen Produkte liefern wir ins Unterland. Mit der Ursprungsbezeichnung «Gstaad», als starke Marke.

Für das Fleisch gilt dasselbe: Ein Grossteil unserer Hotels und Restaurants serviert konventionelles Fleisch, das mit Lastwagen von Mittelland in das Saanenland gekarrt wird. Wir könnten das besser: Wir mästen unsere Tiere nicht, sondern lassen sie auf den Weiden im Saanenland natürlich aufwachsen, schlachten sie hier und verarbeiten das Fleisch hier. Zu unseren Spezialitäten.

Solche einheimischen Produkte lassen sich mit nichts in der Welt vergleichen. Weil sie authentisch sind! Sie werden und dürfen nicht billig sein, denn Premiumprodukte werden nicht wegen ihres Preises gekauft, sondern wegen ihrer Qualität und ihrer Ursprungsbezeichnung.  Und mit dem Verkauf im Unterland machen wir gleichzeitig Werbung für unsere Region. Wir sind eine Premium Region. Und dazu können und müssen wir stehen.

Wir sind kein Trend und wir sind kein Konzept, sondern wir sind wir! Die Menschen, die Landwirtschaft, der Tourismus machen ein Tal unverwechselbar und damit zu einer Marke. Die Menschen suchen Identität, auch und gerade beim Kauf von Lebensmitteln.

Ah ja: dass die Wertschöpfung nachhaltig sein muss, versteht sich von selbst.

Ah ja ja: das mit Fütterung von Soja Futter muss mir dann irgendwer noch erklären. Das verstehe ich nicht. Hätten wir genügend Gras, wenn weniger Kühe in den Ställen stünden?

Tourismus im Jahre 2037 in der Region um Gstaad

Auf der Eggli Talabfahrt hat es seit 10 Jahren keinen Schnee mehr. Die Schneekanonen aus Gstaad sind im Luzerner Verkehrsmuseum neben dem Funi. Die Jungen Saaner klopfen sich lachend auf die Schenkel, was die Alten alles unternahmen um Schnee zu erzeugen. Heute braucht niemand mehr Schnee, denn das Ressort Gstaad hat sich re- und damit organisiert.

Premium Boutique Ressort Gstaad

Man unterscheidet Arbeit und Urlaub nicht mehr. Jeder Mensch hat von überall her Zugriff auf seinen Personal Advisor. Er erledigt den Kleinkram selbständig. Er weiss, wie sein Mensch sich fühlt, was er denkt und was er braucht.

Das Boutique Ressort wird vom Resident Manager betrieben. Eine einzige Anlaufstelle reicht für Reservationen aller Art. Bei der Kontaktaufnahme erscheint auf dem Tablet eine Beschreibung der Person und ihrer Vorlieben, damit der Resident Manager innert Sekunden die Wünsche der Gäste kennt. Sie können nach Wahl in Iglus übernachten, im Stall zwischen den Kühen, im «Residenz Club» oder in einem der zehn Hotels. Die Anfahrt ist entspannend, der Personal Advisor hat alles organisiert und reserviert, individuell für jedes einzelne Familienmitglied.

Die Dating App im Bike von Teenager Samir hat er nicht vergessen. Samir hat für sich das Arrangement «into the wild» bestellen lassen. Er freut sich, dass er mit dem neuen Bike Express auf das Rellerli fahren kann. Downhill ist für ihn alles. Die sportlichen Figuren downhillender Girls sind cool, geil, mega oder was immer der Teenerslang 2037 an Superlativen zu Verfügung stellt – Gewisses bleibt halt, wie es ist.

Für Mutter Saida hat der Personal Advisor das «Sightseeing Jogging» Arrangement bestellt. Sie will halt alles auf einmal. Über die Region etwas erfahren, mit Einheimischen reden und sportlich betätigen, so kommt sie in den «Wellbeing Bonus» der Gesundheitskasse.

Samir’s Vater hat Socializing Meetings mit seiner Firma. Dank den inspirierenden Sitzungsorten im Ressort kommen die Kollegen auf allerhand neue Ideen. Am Abend sind Saida und ihr Mann am «All night Art Event» im Les Art Gstaad eingeladen. Samir hat sich an die «Survival Night» auf dem Hornberg abgemeldet.

Steigende Nachfrage nach persönlicher Betreuung

Einige der Hotels im Ressort haben sich für die Betreuung der immer älter werdenden Menschen spezialisiert. Zwei von zehn Menschen sind älter als 65 Jahre, die Nachfrage nach Ruhe, Erholung und Gesundheit ist höher denn je.

3. Bernerhof Gespräch

Die Zusammenfassung des 3. Bernerhof Gesprächs vom 23. März. Schlussfolgerungen zum Gespräch folgen in den nächsten Tagen.

Ausgangslage

In Europa leben 500 Millionen Menschen, die weder Ski fahren noch Snowboarden. Das dritte Bernerhof Gespräch warf zwei Fragen auf: „Gibt es Wege, diese 500 Millionen für Ferien in den Bergen zu begeistern? Oder ist Schnee ganz einfach von gestern?“

08/09 war eine Rekordsaison. Leider war es die einzige; In allen andern Saisons seit 04/05 war die Frequentierung im Wintersport rückläufig. Und dies trotz den Anstrengungen, gute Schneeverhältnisse auf den Pisten zu garantieren und die Seilbahnen zu modernisieren. Was ist für eine Destination wichtig, die den Rückgang aufhalten oder eine Trendwende anstreben will?

Fazit für Schnellleser:

  • Wichtig ist die Erkennbarkeit und die Positionierung einer Destination.

Für Allesleser:

Wir hörten spannende Referate von Martin Bachofner, Tourismus Direktor; Otto Steiner, sympathischer Querdenker und Konzepter sowie Klaus J. Stöhlker, Doyen der PR Branche.

Martin Bachofner

Martin Bachofner

Martin Bachofner stellte drei Szenario für das fiktive Dorf „Hindere Chrache“ vor.

Facts:

Das Dorf liegt auf 1000 Meter über Meer mit einem erschlossenen Gebiet bis auf 3000 Metern über Meer.  Es liegt in einer lieblichen Gegend mit saftigen Weiden, bietet aber kein Alleinstellungsmerkmal à la Matterhorn. Der Anteil an Zweitwohnungen ist hoch, die Auslastung im Sommer gut. Zudem trägt der Tourismus 50% des BIP der Region „Hindere Chrache“ bei.

Global nimmt der Tourismus zu. Reisen ans Meer verzeichnen Zuwachs, Gewinner in der Schweiz sind die Städte sowie der Bereich Touring (Auto, Velo —> Grand Tour von Schweiz Tourismus), der ländliche, alpine Tourismus aber scheint den Zenit überschritten zu haben.

Szenario 1: Gated Community

Das Dorf „Hindere Chrache“ wird bewacht von einer privaten Armee. Es ist ein Zufluchtsort für Privilegierte, für die Elite. Bergbahnen, Gesundheitswesen, die ganze Infrastruktur wird von Investoren finanziert.

Szenario 2 für „Hindere Chrache“: Produkt-Initiative

Eine Produkt-Initiative für Familien, Sport, Genuss etc. Die Produkte der Destination werden in Szene gesetzt: Kühe, Alpen, Handwerk etc.. Ein Produkt für alle.

Szenario 3: Leuchtturm setzen

Es wird ein klares Angebot gestaltet. Ein „Leuchtturm“ der unabhängig von Wetter und Saison während zehn, elf Monaten über allem strahlt. Eine Erlebnisbahn auf einen Berg, ein Kongresszentrum.

Otto Steiner

Otto Steiner

Otto Steiner eröffnete sein Referat mit einem Bild der eingeschneiten Büste von Hotelpionier und Visionär Caspar Badrutt und mit dem Ausruf: „Frauen und Männer seines Schlages braucht das Land. Visionäre, die andere begeistern, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.“ Kernaussagen seines Referates:

  • Klare Positionierung am Beispiel St. Moritz: Der Ort der zweimal olympische Winterspiele durchführte, muss den olympischen Geist erlebbar machen. Auf einem Berg, damit auch die Bahnen Frequenzenhaben und im Tal.
  • Charismatische Alphatiere braucht das Land. Leute, die begeistern und überzeugen. In der Schweiz ist es leicht ein Visionär zu sein, da alle so langweilig sind.
Klaus J. Stöhlker

Klaus J. Stöhlker

Klaus J. Stöhlker fragte die Zuhörer, was die Steigerung von Vision sei. Seine Antwort: Halluzination. Gstaad sei ein Wundername, der gut verkauft werden könne. Die schönste, sicherste Gated City der Welt. Wunderbar. Gottes Hand hat die fünf Täler des Saanenlandes als Reduit erschaffen, damit die Einwohner und Gäste geschützt, ruhig und sicher leben können.

Die Region rund um Gstaad zeichnet eine stete Investition in der ganzen Region aus. In neue Hotels, in die Infrastruktur und in die verkehrsfreien Dörfer. Ganz wichtig für die Region sei die Privatschule „Le Rosey“. Das „Come up“ im Slogan von Gstaad sagt auch etwas über den sozialen Aufstieg aus.

Gstaad braucht ein Symbol: „Das goldene Kalb“: Jede und jeder der in Gstaad war muss am Revers ein goldenes Kalb tragen.

Ein Slogan für Gstaad, wie es sich für Gstaad gehört in drei Sprachen:

  • Gstaad ist die Schönste und sicherste Gated City der Welt
  • Sport – culture – and good life for high performance
  • La vie en rose – sans regrette

Wichtig : Positionierung, Spezialisierung.

Sonja Hasler

Sonja Hasler

Arena mit Sonja Hasler

In der anschliessenden Diskussion meinte Martin Bachofner, dass das Gemischtwarenlager aufgeräumt werden müsse. Alles hat Gstaad in den letzten 100 Jahren nicht falsch gemacht. Es muss nebst der gehobenen Klientel auch die Mittelschicht angesprochen werden. Zudem übernachten auch Reiche nicht nur in 5* Hotels. Durchlässigkeit der Positionierung ist wichtig.

Otto Steiner widersprach Klaus Stöhlker. Das „Goldene Kalb“ ist unrealistisch, zwar lustig aber nichts Spezielles. Die Bergbahnen brauchen Menge nicht nur Reiche. Es muss eine Ferienstimmung entstehen mit belebten Bahnen und Dörfern. Mit dem schönen Anfahrtsweg sei Gstaad gemacht für runterfahren, Langsamkeit und Gemütlichkeit, worauf Stöhlker erwiderte, dass niemand Langsamkeit wolle, da im Leben alle vorwärts kommen wollen.

Die Frage von Sonja Hasler an Otto Steiner, ob er eine Idee für Gstaad habe.

Steiners Antwort: Eine scharfe Positionierung die spaltet und es in die Medien bringt. Er hätte noch nie so viel Presse gehabt wie mit der Ankündigung des Heidi Dorfes in Flums. Verhindern sei simpel. Das Produkt müsse so profiliert sein, dass es einen Ganzjahres-Tourismus erlaubt. Ein „Les Arts“ allein genüge nicht. Es brauche fünf „Les Arts“, und wenn zwei von den fünf einschlagen, gehöre man zu den Gewinnern.

Zur gleichen Frage meinte Stöhlker: Gstaad habe gute Ansätze. Mutiger müsse man sein und sich dazu bekennen was man ist. Als Beispiel nannte er das neue Mode Heft „Splendid“ von Tommy Hilfiger oder die Beilage im Economist, 1843 culture and lifestyle, in welchen Wohlhabende gefeiert werden. Stöhlker: „Zeige was du Wert bist, dann kannst du es verkaufen.“

Für Höhrer: Das Tondokument des ganzen Gespräches:

Fotos von Marco Mostosi @mamo photography ©

Ist Schnee von gestern?

Gstaad

Gstaad

3. Bernerhof Gespräch
Der Alpentourismus ist veraltet. Die Alpen sind völlig langweilig geworden. Waren die Touristiker vor 150 Jahren noch Visionäre und Abenteurer, sind wir heute die Langweiler der Alpen. Wir sind dabei in den Tiefschlaf zu gleiten und nicht mehr aufzuwachen. Dies das Thema des 3. Bernerhof Gespräches vom 23. März im Bernerhof Gstaad.

Die Referenten:

  • Klaus Stöhlker, PR Berater und Buchautor. Er publiziert und kommentiert regelmässig in den Schweizer Medien.
  • Otto Steiner aus Sarnen, als sympathischer Querdenker plant er und realisiert Besucherattraktionen. Er erschafft mit seinem Team Erlebniswelten: Ausstellungen, Besucherzentren, Besucherrundgänge, Shops, urbane Freiräume und Gartenanlagen.
  • Martin Bachofner, Tourismus Direktor von Gstaad Saanenland Tourismus
  • Die im Anschluss an die Referate stattfindende Diskussionsrunde leitet die sympathische Arena und Rundschau erprobte Sonja Hasler
  • Unser drittes Bernerhof Gespräch findet am Mittwoch, 23. März um 19.00 Uhr statt. Das Thema: Ist Schnee von gestern?…

    Posted by Bernerhof Gstaad on Freitag, 19. Februar 2016