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Ich liebe Online Kommentare


Kolumne im Anzeiger von Saanen

Vorbemerkung: Liebe Gstaader und Gstaaderinnen, liebe Damen und Herren Ladenbesitzer, die Sie tagtäglich in Ihrem Laden stehen. Ich bedanke mich für die vielen sachdienlichen Hinweise, dass ich dank meiner Unfähigkeit nicht alle Ladenbesitzer die in der Promenade ihr Geschäft haben, in der Kolumne erwähnte. Es tut mir wahnsinnig leid. Ich könnte heulen. Ich bin untröstlich. Allen voran möchte ich mich bei Reisebüro Eggenberg, bei Cigares Fuhrer Tobacco und bei meinem Nachbarn Pernet Comestibles entschuldigen. Seid bitte nachsichtig. Es war keine Absicht dahinter. Mein Unvermögen stand mir wie so oft im Weg.

Die Kolumne

In der Nacht, wenntroll ich nicht schlafen kann, lese ich Online Kommentare zu irgendwelchen Artikeln. Ich bin ein Liebhaber von Online Kommentaren. Allen voran das Gemotze über das Gastgewerbe und Tourismus. Das sauge ich förmlich auf. Wie sich Leute echauffieren bei diesem Thema. Ich arbeite in der richtigen Branche, da sind noch Emotionen vorhanden. Zum Beispiel bei Herrn O.F., der mich in einem Online Kommentar erwähnt. In drei Sätzen wirft er mir vor, an dieser Stelle selbstherrliche Kolumnen zu schreiben und bringt darin drei Fallfehler und vier Rechtschreibfehler unter. Das ist eine Leistung. Kein Wunder dass er dafür 49 Likes bekommen hat. Ein grosser Mann. O.F., diesen Namen wird man sich merken müssen.

Und dann all die honorarfreien ehrenamtlichen Ratschläge an die gastgebende Zunft, ich könnte juchzen. Expertinnen und Experten sind sie allesamt, verteilen Fachwissen und bringen Lösungsansätze, auf welche die ahnungslosen Profis aus der Gastronomie und Hotellerie selber nie gekommen wären. Zum Beispiel billiger werden. Oder besser werden. Oder netter werden. Oder alles zusammen. Das sind doch mal Ideen! Dass die Gastgeber darauf nie gekommen sind. Gut, vielleicht sind sie auch schon selber drauf gekommen, ziehen es aber lieber vor, teuer und schlecht und grantig zu sein, absichtlich, diese Halunken. Oder weil sie es nicht können? Dabei wäre es so einfach, ein erfolgreicher Gastgeber zu sein. Man muss nur die Ratschläge der Online-Kommentatoren lesen und befolgen.

Schnitt. Anderes Thema.

Ich bin von Geburt an ein Ausheimischer. Als ich im Oktober 96 nach Gstaad kam, hatte es in der heutigen Promenade Verkehr. Dazu 3 Bäckereien, eine Confiserie, zwei Blumenläden und gefühlte zwanzig von den Inhabern selber geführte Läden. Gstaad war für mich das Gegenteil von St. Moritz, woher ich kam. Gstaad lebte an 365 Tagen. In St. Moritz machten die Boutiquen mit den grossen Namen in der Zwischensaison die Schaufenster wortwörtlich dicht. Heute existieren in Gstaad unter anderen noch Blumen Stricker, Charly, Early Beck, Cadonau, Vertex, Lorenz Bach, Pernet Comestibles, Tabakwarengeschäft Cigares Fuhrer Tobacco, Reisebüro EggenbergBrand Sport, Villiger Bijouterie, Schuhhaus Romang, die Apotheke und Drogerie. Die anderen Geschäfte wurden verkauft und/oder umgenutzt. Genützt hat’s uns nichts. Das Herz von Gstaad wurde in fremde Hände gegeben. Die 365 Tage waren gestern. Heute ist die Promenade grosszügig gerechnet während fünf Monaten im Saft.

Schnitt. Gleiches Thema.

Die Bergbahnen. Angedacht wurde, dass das Eggli und das Rellerli wohlhabenden Aussenheimischen verkauft wird. Wir verkaufen Teile der lebenswichtigsten Infrastruktur, welche dem Tourismus das Blut, sprich Geld in Form von Übernachtungen etc. zuführen? Ich hoffe doch, dass auch in Zukunft noch genug Sauerstoff vorhanden ist, auf dass unsere Gäste und wir Gastgeber hier im Saanenland noch atmen und leben können. Und dass wir nicht fremdbestimmt werden und weiter Leistungsabbau betrieben wird.

Und ja, Herr O.F., wie hat Ihnen mein Text gefallen? Entsprach seine Selbstgefälligkeit Ihren Erwartungen?

Zusammen gehts besser

Meine Kolumne im Anzeiger von Saanen
Und ja, ein paar Sätze die da unten auftauchen habt Ihr hier in einem anderen Zusammenhang schon gelesen. Es ist dies quasi eine Zusammenarbeit von verschiedenen Sätzen zu einem neuen Beitrag. So funktioniert das. Und sowieso, Zusammenarbeit ist einfach wichtig. Wichtiger als je zuvor.

Viel Zeit ist vergangen seit meiner letzten Kolumne. Und vieles ist geschehen unterdessen. Die Masseneinwanderungs-Initiative wurde angenommen. Die Zweitwohnungs-Initiative wurde angenommen. Der Euromindestkurs wurde aufgehoben. Das sind drei harte Brocken für die Exportwirtschaft und den Tourismus, besonders für jenen in den Bergregionen. Wir stehen vor grossen Herausforderungen. Und wenn wir die bewältigen wollen, müssen wir zusammenrücken. Die Voraussetzungen dazu haben wir.

Zusammenarbeit zum Ersten

Schauen wir uns die Hotellerie im Saaneland an. Am 29. November 1968 haben 11 vorausschauende Hoteliers unter Anführung von Marcel Burri und Hansruedi Schärer, dem damaligen Direktor im Palace, die Hotel-Zentral Wäscherei nicht nur ins Leben gerufen sondern auch gleich gebaut. Im ersten Geschäftsjahr 69/70 wurden 240‘000 Kilo Wäsche gewaschen und damit 331‘000 Franken umgesetzt. 45 Jahre später wäscht die Zentralwäscherei 1,018,000 Kilo  Wäsche für 25 Mitglieder und erzielt damit einen Umsatz von 4,03 Millionen Franken. Im letzten und in diesem Jahr werden von der Hotelzentralwäscherei weitere 37 Millionen investiert, etwa hälftig in einen Neubau an der Dorfrütistrasse und an Mitarbeiter Chalets am alten Standort. Dies alles war und ist nur möglich, weil initiative Leute Kräfte gebündelt haben. Und weil alle Genossenschaftsmitglieder solidarisch sind. Wenn jedes einzelne Hotel eine eigene Lingerie hätte bauen müssen, sähen die einzelnen Rechnungen ganz, ganz anders aus.

Zusammenarbeit zum Zweiten

Vor ein paar Jahren hat der Hotelierverein Gstaad Saanenland für unsere Mitarbeitenden die Internetplattform Yourgstaad lanciert. Darin finden potentielle und zukünftige Mitarbeitende alle Informationen und Kontakte, die sie zum Leben in der Schweiz und in der Region benötigen. Der StaffClub bietet Mitarbeitenden Benefits in Hotels und Restaurants. Mitarbeitende können kostenlose Weiterbildungen besuchen, die Kurse gelten als Arbeitszeit. Finanziert werden diese top Angebote durch den Hotelierverein respektive durch dessen Mitglieder. Bislang haben wir über 250’000 Franken in diese schweizweit – denke sogar europaweit – einzigartige Plattform investiert.

Zusammenarbeit zum Dritten

Ein paar weitere eindrückliche Zahlen: 17 Hotels im Saanenland machen einen Umsatz von 47 Millionen Franken mit Essen und Getränken. Sie kaufen Nahrungsmittel ein für 10,5 Mio. Franken. Davon werden 7,1 Millionen im Saanenland ausgegeben. Das sind über zwei Drittel. Die ganze Region profitiert

Es geht bei dieser Aufzählung nicht darum, den Hotelierverein zu beweihräuchern. Sondern darum aufzuzeigen, dass Zusammenarbeit immer einen Mehrwert hat.

Also verschwenden wir keine Energien in Hahnenkämpfe. Betrachten wir unsere Herausforderungen im Ganzen und im Hinblick auf den grösstmöglichen Erfolg Aller. Die fantastische Natur im Saanenland bietet fantastische Produkte, hergestellt und gepflegt von fantastischen Menschen. Wir sind eigenständig und niemand, auch im Entferntesten aller Winkel der Welt, einfach niemand kann uns und unsere Gegend kopieren. Wir sind kein Trend und wir sind kein Konzept, sondern wir sind wir! Die Menschen, die Landwirtschaft, der Tourismus machen diese Region unverwechselbar und damit zu einer Marke.

Es ist doch so: Nur wer sein Chuewägli verlässt, entdeckt Neues, hinterlässt Spuren und bewegt etwas. Dem Saanenland tun neue Ideen und eine andere Denkweise gut. Also kitzeln wir die Kuh, damit sie die Milch sprudeln lässt.

Apropos Milch: Mir ist es bis heute ein Rätsel, dass sich die drei Milchgenossenschaften (noch?) nicht zusammengeschlossen haben. Dass jede Molkerei immer noch für sich allein vor sich hin investiert. Eine  Zusammenarbeit würde Kräfte freisetzen, welcher ein Einzelner nie und nimmer erreichen kann. Die Strukturen würden schlanker, die Kosten würden tiefer. Alles was es bräuchte, wäre Zusammenarbeit.

Ein Hamburger für mehr Zusammenarbeit

Am 16. Januar begann der inszenierte Streit um den besten Burger zwischen der Alpine Lodge mit Günther Weilguni, einem waschechten Habsburger, und dem Bernerhof mit dem Basta by Dalsass, im Anzeiger von SaanenHier im Detail nachzulesen.

Die Ausgangslage war ideal: Sowohl die Alpine Lodge wie auch mein Basta by Dalsass haben Hamburger auf der Karte. Nun hätte jeder von uns ein Inserätli machen können. Das wäre aber todlangweilig und weniger wirksam gewesen. Also haben Günther und ich uns auf ein flottes kleines öffentliches Scharmützel geeinigt, in Form vergleichender Werbung. Die ist nämlich auch in der Schweiz erlaubt, solange sie nicht irreführend, unnötig herabsetzend oder anlehnend ist. Allerdings kommt sie selten vor, der Schweizer sucht selten die Konfrontation und meistens den Konsens. Umso mehr hat unsere kleine Ineratenkampagne sich bei den Saaner Bürgern zum Thema entwickelt. Auf Stammtisch komm raus haben sie debattiert, geschmunzelt und gelegentlich auch geflucht. Selbst der Präsident des Hoteliervereins Gstaad Saanenland bekam erboste Telefonate von besorgten Bürgern, auf dass er dem Streit Einhalt gebiete, gerade in dieser ach so schweren Zeit sei doch Zusammenarbeit gefragt. Richtig. Genau das dachten wir uns ja auch. Und was war der Effekt unseres kleinen Showkampfs? Wir haben unsere Burger bekannt gemacht, man hat darüber gesprochen, man hat ihn gegessen, manch einer hat seinen Siegerburger dann auf Facebook gepostet. Der Umsatz ist gestiegen. Kurz und gut, die paar Franken für die Inserate haben sich gelohnt. Und wenn der Eindruck entstanden sein sollte, die Beteiligten hätten Humor und Chuzpe, dann wäre das ja auch gute Werbung für gewitzte Zusammenarbeit im Saanenland.

Denen, die sich wegen dieser Kampagne mit engagierten bis diffamierenden Kommentaren gemeldet haben, wünsche ich viel Gelassenheit. Es ist doch so: Nur wer sein Chuewägli auch mal verlässt, entdeckt Neues, hinterlässt Spuren und bewegt etwas. Dem Saanenland tun neue Ideen gut. Also kitzeln wir die Kuh, damit sie die Milch sprudeln lässt.

 

 

Gesamtarbeitsvertrag im Schweizer Gastgewerbe

Anzeiger von SaanenIch fühle mich nicht dazu berufen, ständig Leserbriefe zu verfassen. Eigentlich. Aber es musste sein. In der neuen Ausgabe in unserem „Anzeiger von Saanen“ war ein Interview zur Mindestlohn Initiative. Für die Pro-Seite gab SP-Mitglied Martin Hefti (glaubt mir, es braucht unheimlichen Mut, sich im Saanenland als SP-Mitglied zu outen.) seine Ansichten zum Besten. Er meinte u.a., dass diese Initiative vor allem für Branchen sei, bei welchen die Sozialpartnerschaft nicht funktioniert, zum Beispiel beim Verkauf, in der Hotellerie u.s.w.. Ha, schreie ich gegen den Himmel und habe meinen Leserbrief mit folgendem Wortlaut verfasst:

Martin Hefti, sie können zur Mindestlohninitiative denken und sagen was sie für richtig halten – solange es richtig ist, was sie sagen. Besagte Initiative sei für jene Branchen, in welcher die Sozialpartnerschaft nicht funktioniere und nennen als Beispiel die Hotellerie. Richtig ist, dass das Gastgewerbe, zu welchem auch die Hotellerie gehört, seit 1976 einen gut funktionierenden L-GAV hat. Es ist zudem einer der grössten GAV mit über 230’000 unterstellten Mitarbeitenden. Ich erspare ihnen die Details, die können sie unter www.l-gav.ch erfahren. Noch etwas: Bezeichnenderweise spricht sich übrigens selbst Urs Masshardt,  Direktor unserer Arbeitnehmer-Organisation Hotel & Gastro Union, gegen die Initiative des Gewerkschaftsbundes aus. Als Vertreter der Arbeitnehmer würde Urs Mannhardt das wohl nicht tun, wenn er denn nicht wirklich überzeugt wäre.

Die – unsägliche – Masseneinwanderungsinitiative hätte mehr Auswirkungen auf das Gastgewerbe als die Mindestlohninitiative. Meinen sie. Das wird sich weisen. Was ich bereits weiss ist, dass wir im Bernerhof pro Jahr 280’000 Franken mehr Lohnkosten hätten. Das sind 5 Arbeitsstellen die verloren gehen könnten. Oder kürzere Öffnungszeiten. Vielleicht haben sie bemerkt, dass ab Ostern bis anfangs Mai nur ein einziges Restaurant im Ortszentrum von Gstaad geöffnet hatte. Bei einer Annahme der Initiative könnte es sein, dass in der Zwischensaison gar kein Restaurant im Ortszentrum von Gstaad mehr geöffnet hat. Es gibt für mich kein einziges Argument, weshalb man und Frau dieser Initiative zustimmen könnte.

Gemeinsam packen wir’s

„Die Alpen haben Potenzial.“ Sagt GDI-Trendforscher David Bosshart. „In 20 Jahren wird die touristische Entwicklung dort stärker sein als je zuvor.“ Sagt GDI-Trendforscher David Bossart weiter. „Die einzige Voraussetzung sei, dass die Touristiker einen guten Job machen.“ Ergänzend fügt er bei: „Und der gute Job beginne mit der Gastfreundschaft.“ Doch die Touristiker können einen noch so guten Job machen, wenn nicht alle Bewohner einer Tourismusregion am gleichen Strang ziehen, passiert nämlich rein gar nichts.

Wir alle sind das Erscheinungsbild unserer Region. Egal ob Beizer, Polier, Prokurist oder Polizist. Wir werden von den Gästen als Ganzes wahrgenommen. Darum ist es umso wichtiger, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen. Nämlich, dass sich unsere Gäste, wohlfühlen. Geben wir unseren Gästen ein Wohlgefühl. Behaglichkeit. Genau gleich verhält es sich bei Feriengästen. Behandeln wir sie wie Freunde. Leben wir die Gast-freund-schaft.

Unsere Region hat ein riesen Potenzial, welches wir nutzen dürfen. Die Alpen sind sexy. Alles andere als austauschbar. Die Ausstrahlung unserer Region ist in einer Welt, in der alles schnell und flach ist und in welcher es hektisch zu und her geht, umso attraktiver.

Wenn die demografische Entwicklung und die Sehnsucht nach Gesundheit anhalten, bietet dies uns ein grosses Potenzial an Besuchern. Schon heute wird der Mensch in den Grossstädten von der Geschwindigkeit, vom Zeitdruck und der Hektik bestimmt. Die Welt der Zukunft ist gross, flach, künstlich und unsicher. Was den Menschen in den Städten heute fehlt, ist vor allem dies: Musse. Zeit für sich selber. Ruhe. Tage ohne Hektik. Ein Time-out von all den tausend Eindrücken, die täglich auf uns einprasseln. Geben wir unseren Gästen Ruhe. Gönnen wir ihnen Zeit.

Wichtig wird in Zukunft sein, dass wir unsere Region als Ganzjahres Region vermarkten können. So kann die Infrastruktur über das ganze Jahr ausgelastet werden. Es ist blöd, wenn wir in nur 6 Monaten für 12 Monate Geld verdienen müssen. Die Hektik in unserer Hochsaison ist für alle zu gross. Für die Bewohner, für die Mitarbeiter wie für die Gäste. Darum muss es oberstes Zeil sein, die Saison auszubauen, damit wir über einen längeren Zeitraum Geld verdienen können.

Damit wir als Vierjahreszeiten Region wahrgenommen werden, müssen alle Leistungsträger mitmachen. Die Behörden. Die Bergbahnen, welche mindestens immer eine Bahn während 365 Tagen geöffnet haben müssen. Die Boutiquen in der Promenade müssen während 300 Tagen geöffnet sein. Auch die grossen Hotels – das Ermitage-Golf sei hier löblich erwähnt – müssen längere Öffnungszeiten anbieten. Wir alle, ob Gewerbler oder Hotelier und Restaurateur haben eine Gesamtverantwortung für unsere Region, die jeder in seinem Umkreis wahr zu nehmen hat. Es darf und kann nicht sein, dass bei ausbleibendem Geschäftsgang, sprich Logiernächten, dem Roger Seifritz und somit dem GST die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Jeder von uns muss im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Gesamtwohl mehr Verantwortung übernehmen. So, und nur so, können wir uns von unseren Konkurrenten abheben. Und wenn das Produkt stimmt, ist der Gast auch bereit einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen.

Hab noch was: „Wo alle das Gleiche denken, denkt niemand besonders viel.“

Wieso die Pauschalsteuer nicht abschaffen?

120 Saaner waren tapfer und demonstrierten ihren Willen in Bern. Schulter an Schulter standen sie vor dem UNIA Gebäude, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Politiker, und sagten, was Sache ist: Wir wollen die Pauschalsteuer nicht abschaffen.

Ich wusste nicht einmal genau, wie die Pauschalsteuer funktioniert. Aber die Saaner werden es wohl wissen. Sie haben ja auch dafür demonstriert. Inzwischen weiss ich es auch: Verdient ein reicher Ausländer sein Geld nur im Ausland oder in Aus-Ländern, dann versteuert er hierzulande nicht Einkommen oder Vermögen, sondern seine «Lebenshaltungskosten». Und zwar pauschal, damit er nicht jedes Wattestäbli auflisten muss. Unter dem Strich zahlt er viel weniger Steuern als ein ebenso reicher, aber normal besteuerter Schweizer.

Ist das gerecht? Nein. Aber es ist ja auch nicht gerecht, dass nur zwei Drittel der Einwohner Bundessteuern bezahlen. Von Steuerdumping der Schweiz können wir auch nicht reden, da ein Steuerwettbewerb unter Ländern wie Kantonen statthaft ist.

Soweit so gut. Zurück zur Demonstration. Ich stellte mir die Frage, wieso die sonst besonnenen Saaner zu einer Demonstration aufgerufen haben. Fand aber keine passende Antwort zur Frage. Auf den ersten Blick ist es einfach eine Demonstration zu organisieren. Auch wurde die Demo mit Sicherheit nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet. Ich persönlich hätte auf eine Demonstration im eigentlichen Sinne verzichtet. Das sollen doch Schreihälse und Trillerpfeifen machen. Die Saaner hätten Herrn Pardini einen Besuch abstatten können. Mit Handorgel, Jodler, Hobelkäse und Zöpfe. So wäre das Auswärtsspiel zu einem Heimspiel geworden und der Herr Gewerkschaftsführer hätte sein Sprachrohr Megafon sein lassen können. Ich meine, stichhaltige Argumente werden auch gehört, wenn sie leise vorgetragen werden.

Haben wir uns schon überlegt, was Sache ist, wenn die Abschaffung der Pauschalsteuer wirklich angenommen wird? Stadtmensch könnte Landmensch überstimmen. Und schon ist sie weg. Zürich hats gezeigt.

Könnten wir nicht mit einkommensstarken Personen Gespräche führen, um festzustellen, wo die „Schmerzgrenze“ der Steuerbelastung liegt? Dann lancieren wir den Steuerwettbewerb und sorgen so für attraktive steuerliche Rahmenbedingungen, sprich: für tiefere Steuern für alle. Ich bin überzeugt, dass wir dadurch viele potente Neuzuzüger für das Saanenland gewännen und durch die Steuersenkung noch mehr Steuern generieren könnten. Die Steuerbelastung würde von den Bürgern besser verstanden und akzeptiert. Nicht zuletzt, weil sie gerechter ist.

Eigentlich klar, dass sich jemand mit einem grossen Vermögen und Einkommen den Ort auswählt, in welchem er eine optimale Kombination von Steuerbelastung und öffentlichen Leistungen antrifft. Unsere Talschaft ist dafür wie gemacht.

Bergschnee & Talschnee

Meine Kolumne im „Anzeiger von Saanen“ vom 19. Februar 2010

Schneefall zum Ersten:
Wir freuen uns über jeglichen Schneefall. Im Fall. Im Sommer natürlich weniger. Aber ab Mitte Oktober kann‘s losgehen. Weil dann lassen wir rund um die Saaner Alpen schneien. Sind ja für alle Eventualitäten vorbereitet. Könnte ja sein dass… Googlen wir mal Schneekanone und schauen wir bei Wikipedia unter Punkt 6 beim Inhaltsverzeichnis „ökologisch und ethische Problematik“ an. Etwa 3‘100 Schneeerzeuger werden Europaweit eingesetzt. Diese verbrauchen 260‘000 MWh Strom. Somit verbrauchen die Schneekanonen Europas jährlich soviel Energie wie eine Stadt mit 150‘000 Einwohnern und soviel Wasser wie Hamburg. Forscher haben festgehalten, dass in den französischen Alpen bis zu 70% weniger Wasser in den Bächen und Flüssen fliessen. Die Vorderseite: Schneekanonen werden verwendet, um Schnee zu ersetzen, der durch den Klimawandel ausbleibt. Die Rückseite: der hohe Energieverbrauch selber trägt wieder zur Verstärkung des Klimawandels bei, was wiederum nach noch mehr Schneekanonen schreit. Auch im Saanenland schreien wir nach schneeerzeugenden Maschinen. Nach dem Schreien kommt das Investieren. Hang um Hang wird mit künstlichem Schnee bedeckt, auf dass die Bergbahnen voll gepackt mit Skimenschen, auf die Berge fahren. Richtig saublöd wird es erst, wenn die Bergbahn defekt ist weil zu rostig. Das ist Zufall. Der kann ja nicht wissen, dass er nicht geplant war.

Schneefall zum Zweiten:
Im Tal drunten schneit‘s natürlich. Lautlos bis in die frühen Morgenstunden. Ein paar Zentimeter reichen und eine Armada von Megaschaufeln, die von Riesenrädern getragen werden, kommen in Gang gesetzt durch die Strassen. Das Motto: Asphalt raspeln. Rückwärts – vorwärts – seitwärts – bergwärts – talwärts. Es wird geraspelt bis der Asphalt fliegt. Weg muss er. Der Schnee. Einfach nur aus dem Weg, damit der Weg frei wird für Fuss- wie Autogänger. Selbst Land Rover und Jeep Ladys können somit gekonnt durch die Kurven gleiten. Die Promenade wird hergerichtet wie ein Green auf einem Golfplatz. Alles auf den Zentimeter genau freigeschaufelt. Da können wir sauglatt mit Discoschlappen vor die Boutique schlifern.

Aufgepasst, jetzt wird‘s un-ironisch. Es darf nicht zum Kreislauf werden, dass wir im Tal den Schnee in den Louibach kippen und ein paar Meter weiter unten den nicht mehr gefrorenen Schnee als Wasser aus der Saane auf den Berg pumpen. An einem Ort übelt der Schnee vor sich hin, ein paar Meter weiter oben wird Schnee auf Frau Holle komm raus erzeugt. Räumen wir den Schnee weniger hektisch. Lassen wir mal hie und mal da einen Haufen, Schneehaufen bleiben. Dieser Schneehaufen könnte von Kindern berutscht, behüpft und belacht werden. Auch auf den Strassen darf es Schnee haben. Wir müssen nicht mit achtzig durch die Strassen rädern. Lassen wir Langsamkeit in unser Leben. Es geht dann nämlich auf einmal alles schneller.