Wandern ist sexy

Mein Vater liebte rote Socken. Er hatte Schränke voll mit roten Kniesocken. Auf unseren endlosen Sonntagswanderungen hat er sie getragen. Damit alle sie sahen, hat er Hosen mit der Bezeichnung Knickerbocker montiert. Den Spazierstock in der Rechten und die Brissago in der Linken ist er marschiert, und ich bin hinterher gekeucht. Nach mir nicht die Sintflut, sondern die Mutter. Meistens haben wir uns verlaufen. Vermutlich habe ich nur darum Koch gelernt, damit ich am Sonntag arbeiten durfte.

Was früher mein Vater war, ist heute meine Frau. Stichwort: Wellness. Höre ich das Wort, dann habe ich Angstschweiss-Ausbrüche. Ayurveda hier, Erlebnisdusche da, heisse Steine und kalte Aufgüsse und… Wellness Hotels gleichen sich wie ein Ei dem andern. Allen voran im österreichischen nahen Osten. Jetzt kommt der gute Zukunftsprofessor Horx und redet von Selfness. Von sozialer Kompetenz. Wellness. Mindness. Hopeless.

Ganz unter uns: Ich habe genug von der Hightech Hektik und dem Hyperstress. In diesen Welten verliert der Mensch ein realistisches Verhältnis zu seinen Fähigkeiten und Grenzen. Um vernünftige Massstäbe zu gewinnen, muss der Homo Trabiens ab und zu wieder in die Natur. Zum menschlichen Biotop. Wandern ist sexy. Wellness ist Stress.

Heute, 40 Jahre nach den Wanderungen mit meinen Eltern, wandere ich mit meinen Gästen. Wir führen Gespräche über Gott und die Welt. Wir kommen uns näher, indem wir gemeinsam mit eigener Kraft ein Ziel, den Gipfel erreichen. Das verbindet. Aus Gästen werden Freunde. Gast-Freund-Schaft.

Das muss die Zukunft für uns Berghoteliers sein. Unsere Natur zu nutzen. Die Produkte, welche aus dieser Region stammen und von Menschen aus der Gegend hergestellt und gepflegt werden. Wir sind eigenständig und niemand, auch im entferntesten aller Winkel der Welt, einfach niemand kann uns und unsere Gegend kopieren. Wir sind kein Trend und wir sind kein Konzept, sondern wir sind wir! Die Menschen, die Landwirtschaft, der Tourismus machen einen Ort unverwechselbar und damit zu einer Marke. Ich besinne mich lieber auf die eindrückliche Kraft des Wirklichen, statt den Zukunftsforschern in die Zukunft nach zu rennen.

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